Anonym im Netz?

Die deutschen Behörden interessieren sich nicht dafür, ob Weblogs ein Impressum haben?

lawblog.de

Die Impressumspflicht ist immer noch nicht eindeutig geregelt. Die Verfechter des “anonymen Netzes” lehnen dies für private Seiten strikt ab. Manchmal lohnt sich ein Blick aus einer anderen Perspektive.

Wie es einst war

Als das ARPANET ursprünglich erfunden wurde – und auch noch für lange Zeit vor dem Massenauflauf in den 90ern -, war der Zugriff mit sehr viel Verantwortung verbunden. Jede Maschine im Netz hatte eine einzigartige Internet-Protokoll (IP) Adresse, eine 32-Bit-Zahl, die man normalerweise in ihrer “dotted quad” Form sieht, wie etwa 192.168.114.31. So gut wie alle Maschinen im Internet waren dauernd mit dem Netz über Standleitungen verbunden (oder in einem lokalen Netzwerk, welches dann über eine Standleitung mit dem Internet verbunden war).
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In einer solchen Umgebung, die so war, wie das Internet ursprünglich erdacht wurde, war jeder individuell sehr gut für seine Aktivitäten zur Verantwortung zu ziehen.

http://www.heise.de/tp/

Die Vorstellung vom anonymen Netz kam erst wesentlich später mit Modemeinwahl und NAT auf. Plötzlich konnte der Benutzer nicht mehr eindeutig einer IP zugeordnet werden. Trotzdem waren die Nutzer eine kleine Gruppe, das Internet eine Spielwiese. Für den unbedarfen Anwender stellten Compuserve und AOL die Nachrichten zusammen, die freie Meinungsäußerung war Sache des Usenet. In aller Regel hielten sich die Nutzer an die selbst auferlegten Regeln der Netiquette. Auf internationalem Terrain galten schließlich nicht die Gesetze einen bestimmten Staates. Trotzdem ist es kein rechtsfreier Raum.
Inzwischen ist das Internet als zumindest in den Industriestaaten ein Massenmedium geworden, Überkapazitäten an Bandbreite und Rechenleitung ermöglichen inzwischen an jeder “Klowand” eine Interaktion ohne nennenswerte Einstiegshürden. In dieser Umgebung müssen zwangsläufig irgenwann einmal Regeln aufgestellt werden. Auf internationeler Ebene ist hier keine Lösung in Sicht, deshalb gelten vorerst wohl die Gesetze des jeweiligen Heimatlandes.
In Deutschland beruft man sich schnell auf die Meinungs- und Pressefreiheit, übersieht aber gerne den Absatz 2.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

Die gesetzlichen Bestimmungen umfasssen schwerwiegende Tatbestände wie Volksverhetzung, aber auch nicht offensichtliche Verstöße wie Marken- und Namenrecht. Der unbestimmte Rechtsbegriff der persönlichen Ehre eröffnet ein weites Feld für Diskussionen über die Zulässigkeit einer Äußerung.
Solange eine Meinungsäußerung frei zugänglich ist, muss es deshalb möglich sein, dagegen vorzugehen. Dies mag jetzt als Einschränkung empfunden werden, stellt aber in Wahrheit ein Recht für jeden Einzelnen dar. Das Recht und die Möglichkeit, sich gegen Rufmord zu wehren. Auf dieses Recht möchte ich nicht verzichten müssen und dieses Recht will ich auf niemandem absprechen.
Stellt sich weiter die Frage, wer für den Seiteninhalt verantwortlich ist, also gegen wen ich dieses Recht geltend machen kann. Den Nutzer, der ein Kommentar abgeben hat zu verfolgen ist nur schwer möglich. Anders sieht es mit dem Inhaber der Seite aus. Bei der DeNIC kann der Inhaber einer Domain schnell ausfindig gemacht werden. Nur was ist mit den häufig anzutreffenden “Webpräsenzen”, “kostenlosen Hompage”-Angeboten, Blog-Hostern? Tausende Seitenbetreiber sind unter einem DeNIC-Eintrag zu finden, oft wird eine Weiterleitung in Form einer .de.vu Domain gewählt. Die jeweiligen Dienstanbieter könnten sofort schließen, wollte man ihnen die Pflicht auferlegen, jeder Anfrage nachzugehen. Bleibt nur, den Ersteller der Seite als Ansprechpartner zu wählen. Dieser muss im Zweifelsfall auch Kommentare auf seinen Seiten löschen oder zensieren. Das hat dann nicht mit staatlicher Zensur zu tun, sondern mit Anstand und Achtung der Rechte Anderer.
An anderer Stelle wird die Einführung eines Blogkennzeichens gefordert auf die Kennzeichen-Analogie verwiesen, die in der Diskussion um die Impressumspflicht 2002 gerne gebraucht wurde. Wobei sich mir ein paar Fragen stellen. Wer vergibt das Kennzeichen? Muss ich das Kennzeichen persönlich beantragen? Können juristische Personen ein Kennzeichen erwerben? Wie teuer ist solch ein Kennzeichen? Brauchen Foren auch ein Kennzeichen? und einfache statische Seiten? Läuft die gesamte Kommunikation zwischen den Streitparteien über diese Behörde? Und darf diese dann eingesehen werden? Ab wann kann ich die Daten doch einsehen, um eine Klage einzureichen?

Nein, es sollte endlich eine klare Linie in der Rechtsprechung zum Thema Haftbarkeit und Impressum gefunden werden. Ein Blog oder eine Hompage lässt sich auch aus einem Internetcafé heraus betreuen, somit ist nur eine E-Mailanschrift nicht ausreichend. Zumal bei Mahnungen der Zugang bewiesen werden muss und dies bei E-Mail nicht möglich ist. Jeder Blogger ist ein kleiner Verleger, somit V.i.S.d.P. und haftbar. Die fehlende Rechtssicherheit beschränkt sich nur auf die äußere Form, die Erreichbarkeit und die Art der Haftung.
Für Webseiten mit Interaktionsmöglichkeiten sollte sich hier die Haftung bei Kenntnisnahme durchsetzen. Strafrechtlich relevante und offensichtliche Verstöße wären sofort zu entfernen, markenrechtlichen Verstöße erst nach Beweis.

Schade, dass immer mehr Kleinigkeiten des Lebens gesetzlich geregelt werden müssen. Aber in einer multikulturellen Gesellschaft herrschen unterschiedliche Auffassungen von Anstand und Moral. Was früher durch Brauchtum und Gewohnheitsrecht, aber auch durch Glaubensgrundsätze geregelt war, muss heute leider ein Berg an Paragraphen übernehmen.

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